Veranstaltung: | LMV GJ MV |
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Antragsteller*in: | Katharina Horn (KV Vorpommern-Greifswald) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 01.08.2020, 09:42 |
A1: Für mehr Vielfalt und Qualität in der Bildung!
Antragstext
Der pandemiebedingte Fernunterricht, der über einige Monate hinweg praktiziert
wurde, hat nicht nur deutlich gezeigt, wie bedeutsam digitaler Unterricht in
Krisenzeiten ist, sondern auch, dass das Unterrichten in digitalen Formaten und
unter der Nutzung neuer Informationstechnologie grundsätzlich möglich ist. Eine
Rückkehr zum Präsenzunterricht sollte deshalb nicht gleichzeitig auch eine
Rückkehr zu fast ausschließlich analogen Unterrichtsformaten bedeuten. Vielmehr
gilt es nun aufbauend auf den Erfahrungen der vergangenen Monate auch, die
Digitalisierung der Schulen als einen Prozess zu begreifen, der nicht mehr nur
den Aufbau digitaler Infrastruktur in den Bildungseinrichtungen sowie digitalen
Medienunterricht umfasst, sondern auch anerkennt, dass die Digitalisierung als
gesamtgesellschaftlicher Wandelprozess Gegenstand einer kritischen
unterrichtlichen Auseinandersetzung in allen Fächern darstellen sollte.
Nichtsdestotrotz dürfen die Schwierigkeiten und Probleme, die digitales
Unterrichten mit sich bringt und die in den vergangenen Monaten eben auch
deutlich wurden, nicht vernachlässigt werden. Wir fordern daher:
- dass jede*r Schüler*in in Mecklenburg-Vorpommern Zugang zu einem Tablet-PC
oder einem Laptop erhält (z.B. in Form von Leihgeräten für den schulischen
Gebrauch), damit jedes Kind und jede*r Jugendliche*r unabhängig vom
Einkommen der Erziehungsberechtigten an digitalen Unterrichtsformaten
teilhaben kann.
- dass digitaler (Fern-)Unterricht nicht bedeutet, dass analoge Formate
(z.B. Arbeitsblätter) einfach per Mail verschickt werden, sondern dass
beim Einsatz digitaler Medien die damit verbundene potentielle Vielfalt an
Möglichkeiten aktiv genutzt wird. Dies gilt es insbesondere dann zu
beachten, wenn die pandemiebedingte Lage es erforderlich macht, dass
Schüler*innen(-gruppen) erneut ausschließlich oder in der Hauptsache per
Fernunterricht unterrichtet werden müssen.
- dass im erneuten Falle des digitalen Fernunterrichts nicht ausschließlich
schriftlich (z.B. per Mail) mit den Schüler*innen kommuniziert wird,
sondern auch andere digitale Kommunikationsmittel (Videobotschaften,
Videochats, Audiobotschaften, Sprachchats) regelmäßig genutzt werden. So
soll z.B. auch gewährleistet werden, dass die Schüler*innen persönliches,
wertschätzendes Feedback für ihre heimischen Unterrichtsleistungen
erhalten können, das unserer Ansicht nach bei schriftlicher Kommunikation
jedoch allzu oft ausbleibt.
- dass die Digitalisierung auch als ein gesamtgesellschaftlicher
Wandelprozess ernst genommen und als solcher im schulischen Unterricht
stärker abgebildet wird, d.h. der gesellschaftliche Wandel, den die
Digitalisierung mit sich bringt, sowie die damit verbundenen Chancen,
Risiken und Folgen kritisch thematisiert werden (Industrie und Handel 4.0;
digitale Kommunikation; digitale Gedenkstätten und Museen; multimediale
Texte; digitales Schreiben usw.).[1]
- dass der unterrichtliche Gebrauch digitaler Medien verstetigt wird. Die
Nutzung moderner Technologie im Unterricht sollte die Regel und nicht die
Ausnahme darstellen. Nur so kann die Schule auch zu dem Ort werden, an dem
Kinder und Jugendliche lernen, die jeweiligen Potentiale digitaler
Informationstechnologie zu bewerten und mit dieser Technologie reflektiert
umzugehen.
- dass entsprechend bereits in der Lehrer*innenausbildung, in den
berufsbegleitenden Fortbildungen für Lehrkräfte sowie innerhalb der
Qualifizierungsmaßnahmen für Seiten- und Quereinsteiger*innen die
kritische Einordnung der gesellschaftlichen Wandelprozesse, die die
Digitalisierung auslöst, sowie der Gebrauch digitaler Medien und Methoden
noch stärker thematisiert werden.
Mit diesen Forderungen zielen wir darauf ab, die schulische Bildung im Land
Mecklenburg-Vorpommern fit für die Zukunft zu machen. Doch nicht die
Digitalisierung allein stellt für uns dabei einen zentralen Aspekt
zukunftsorientierter Bildung dar. In den kommenden Jahren gilt es, weiteren
gesellschaftlichen sowie globalen Herausforderungen zu begegnen. Auch darauf
soll nach unserem Verständnis die Schule vorbereiten. Zu diesen
Herausforderungen gehören natürlich v.a. die Gefahren und potentiellen Folgen
des menschgemachten Klimawandels. Weiterhin zählen wir dazu das Problem
struktureller, intersektionaler Diskriminierung unterschiedlicher Teile unserer
Gesellschaft – seien es BIPoC, Frauen, Queers, Menschen mit Behinderung oder
Angehörige nicht-christlicher Glaubensgemeinschaften. In Bezug darauf ist es
nicht nur notwendig, dass Schüler*innen darauf vorbereitet werden, Praktiken
struktureller Diskriminierung zu erkennen und zu beseitigen, sondern auch dass
das pädagogische und weitere Personal in Schulen sein eigenes Handeln stetig
reflektiert, um diskriminierende Praktiken im beruflichen Handeln zu
unterlassen. Wir fordern daher:
- dass strukturelle und intersektionale Diskriminierung in der Schule
stärker entgegengewirkt wird, indem die gesellschaftliche Vielfalt, die
wir in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern vorfinden, auch in der
Schule abgebildet wird. Schulbücher und andere Unterrichtsmaterialien
müssen bei der Abbildung und Thematisierung von Personen in allen
Unterrichtsfächern in Bezug auf Sexualität, Geschlecht, Gender, Herkunft,
Religion und Körperformen vielfältiger werden! Diskriminierende und
klischeehafte Darstellungen haben in Schulmaterialien nichts mehr zu
suchen, es sei denn, sie dienen der kritischen Dekonstruktion von
Diskriminierungsverfahren!
- dass entsprechend auch das gesamte Personal an Schulen darin geschult
wird, strukturelle Diskriminierung zu erkennen und diskriminierende
Praktiken im eigenen Handeln zu vermeiden. Dies beinhaltet auch die
Pflicht, strukturelle, intersektionale Diskriminierung innerhalb unserer
Gesellschaft bereits in der Lehrer*innenausbildung sowie in der
Qualifizierung von Seiten- und Quereinsteiger*innen zu thematisieren.
Nicht nur der Großteil des zweiten Schulhalbjahres sondern auch das gesamte
Sommersemester an den Universitäten und Hochschulen in unserem Land musste
aufgrund der Corona-Pandemie digital stattfinden. Viele Studierende in
Mecklenburg-Vorpommern haben dabei sowohl sehr positive als auch äußerst
kritische Erfahrungen gemacht. Diese Erfahrungen wollen wir nutzen, um weitere
(teilweise) digitale Studienabschnitte, aber auch zukünftige Semester, die nicht
mehr durch pandemiebedingte Einschränkungen betroffen sind, für Studierende zu
verbessern. Wir fordern daher:
- Nachbesserungen bei den Überbrückungshilfen für Studierende, die Hilfen
kamen zu spät, sind zu gering und Anträge werden zu oft abgelehnt [2]
- dass bei Lehre, die größtenteils oder in vollem Umfang digital erteil
wird, in Übungen und Seminaren regelmäßig Elemente verankert werden, die
den direkten Austausch zwischen den Studierenden untereinander und mit den
Lehrenden (z.B. Videokonferenzen, Chatsitzungen) oder kollaboratives
Arbeiten (z.B. der Einsatz von Etherpads; Peer-review-Verfahren; die
gemeinsame Arbeit an Wikis) miteinander ermöglichen. Denn bei
Lehrveranstaltungen, die ohne Möglichkeiten zum gemeinsamen Austausch
durchgeführt werden, ergeben sich insbesondere für diejenigen
Studierenden, die im gemeinsamen Diskutieren und Besprechen von Themen den
größten Lernerfolg verzeichnen, große Nachteile.
- dass im Rahmen zukünftiger digitaler Semester ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen synchronen und asynchronen Lehrveranstaltungen besteht. Digitale
Formate – insbesondere solche, die auf das Selbststudium der Studierenden
abzielen – eröffnen, wenn sie asynchron stattfinden, den Vorteil, das
eigene Studienpensum entsprechend der individuellen Bedürfnisse und
Bedingungen zu verteilen. Dieser Vorteil asynchroner, digitaler Lehre
sollte in zukünftigen Digitalsemestern nicht zugunsten zu häufiger
synchroner Formate verspielt werden. Schließlich hat das vergangene
Semester auch gezeigt, dass unter den pandemiebedingten Einschränkungen
berufstätige Studierende und Studierende mit Kindern oder mit
pflegebedürftigen Angehörigen in einem noch größeren Maße zeitliche
Flexibilität benötigen.
- dass zukünftig Vorlesungen verstärkt in digitalen Formaten stattfinden,
z.B. indem sie als Lehrvideos oder kommentierte Präsentation aufgezeichnet
werden. Dies betrifft insbesondere Vorlesungen, innerhalb derer wenig
Interaktion zwischen Lehrperson und Studierenden stattfindet. Zudem wäre
es so möglich, einzelne Präsenztermine oder synchrone Online-Termine für
diese Vorlesungen anzubieten, in denen vertiefenden Diskussionen
stattfinden könnten (flipped-classroom-Prinzip).
[1] Es gibt seit 2016/2017 eine Strategie der KMK zur Bildung in der digitalen
Welt. Diese beinhaltet auch neue fächerübergreifende Kompetenzen, die in MV
zunächst durch einen fächerübergreifenden Rahmenplan sowie anschließend in den
neuerarbeiteten Fassungen der jeweils fachspezifischen Rahmenpläne mit
abgebildet werden. Diese Kompetenzen beziehen sich meines Erachtens nach recht
stark auf einen digitalen Medienunterricht und vernachlässigen daher bislang die
kritische Reflexion von Digitalisierung als Prozess, der in allen
gesellschaftlichen Subsystemen zu massiven Veränderungen führt. JS
[2] siehe dazu auch das Statement vom Sprecher für Forschung, Wissenschaft und
Hochschule der GRÜNEN Bundestagsfraktion Kai Gehring: https://www.gruene-
bundestag.de/presse/pressestatements/kai-gehring-zu-den-hohen-ablehnungszahlen-
der-sogenannten-ueberbrueckungshilfe-fuer-studierende